STADT:up – Forschungsprojekt für autonome urbane Mobilität

Lukas Flohr Senior UX Designer • Specialist Mobility

Esther Barra Senior Communication Manager

Charlotte Osthelder Senior UX Designer • Specialist Service Design

08.11.2023 • 7 Minuten Lesezeit

Automatisiertes Fahren hält zunehmend Einzug in unsere Städte. Die Technologie verspricht mehr Sicherheit, Effizienz und Komfort im Straßenverkehr — sowohl für aktive Fahrer:innen als auch für passive Fahrgäste. Insbesondere in komplexen urbanen Umgebungen stehen Forschungsarbeiten zu fahrerlosen autonomen Fahrzeugen weiter vor großen Herausforderungen. Aus technischer Sicht — aber auch bezüglich der Akzeptanz durch Nutzende. Bei Ergosign gestalten und entwickeln wir Produkte und Services, die Menschen in ihrer Arbeit unterstützen und bereichern. Dabei stehen Menschen immer im Fokus.


Im Projekt STADT:up können wir unsere Expertise aus der Forschung zum Thema „Autonomous Mobility“ mit unserem mensch-zentrierten Designansatz kombinieren und so wertvolle Beiträge zur Zukunft der Mobilität leisten. In diesem wegweisenden Projekt beschäftigen wir uns mit der Gestaltung mensch-zentrierter Interaktionskonzepte für die Insassen zukünftiger, hoch-automatisierter Fahrzeuge in alltagsnahen Verkehrssituationen. Unser Ziel ist es, Bedenken von Nutzenden frühzeitig zu adressieren und damit eine positive und vertrauensvolle User Experience zu schaffen.

Was ist STADT:up?

STADT:up ist ein umfassendes, auf mehrere Jahre angelegtes Verbundprojekt mit 22 Partnern aus Industrie und Forschung. Das im Januar 2023 gestartete Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert und läuft bis Dezember 2025. Ziel von STADT:up ist die Konzeption konsistenter, skalierbarer Lösungen für künftige urbane Mobilität, in der Fahrzeuge sicher durch komplexe, innerstädtische Verkehrssituationen navigieren. Im Projekt werden nutzerzentrierte Konzepte und Pilotanwendungen für das automatisierte Fahren im städtischen Raum entwickelt. Der Fokus liegt hierbei auf Interaktionen mit verletzlichen Verkehrsteilnehmenden (Fußgänger:innen und Radfahrer:innen) und komplexen Situationen, insbesondere in Verbindung mit KI-basierten Methoden. In diesem Werkstattbericht möchten wir erste Einblicke in unsere Forschungsarbeit bei STADT:up geben.

Eine grafische Übersicht über die 5 STADT:up Teilprojekte
Die fünf STADT:up Teilprojekte

Human Factors und automatisiertes Fahren

STADT:up ist in fünf Teilprojekte strukturiert. Ergosign ist insbesondere in die beiden Teilprojekte Human Factors und Automatisiertes Fahren involviert. Im erstgenannten Teilprojekt beschäftigen wir uns mit der Gestaltung und prototypischen Entwicklung von Interaktionskonzepten, die die Erklärung von Automationsverhalten unterstützen. Ziel ist es, das Vertrauen und das Sicherheitsempfinden der Fahrzeuginsassen in komplexen innerstädtischen Verkehrssituationen zu stärken. Im Teilprojekt Automatisiertes Fahren liegt der Fokus auf der Demonstration dieser Konzepte in Simulator- und Realfahrzeug-Studien, die wir in enger Kollaboration mit unseren Forschungspartnern realisieren. Dabei entwickeln wir ein Engineering UI, welches Sensor- und Fahrzeuginformationen in Echtzeit aufbereitet und so Systemingenieur:innen wertvolle Informationen und Funktionen im Entwicklungsprozess bereitstellt.

Human Factors — Unsere Meilensteine:

1. Literatur-, Kontext- und Anforderungsanalyse

Mit einer fundierten Analyse von Literatur und verwandten Arbeiten legen wir den soliden Grundstein für die mensch-zentrierte Entwicklung der Interaktionskonzepte. Neben Sicherheitsgefühl und Spaß an der Nutzung ist das Vertrauen in automatisierte Fahrzeuge (AV) eine der zentralen Herausforderungen in Bezug auf die Akzeptanz der Nutzenden. Hier ist die Bedeutung von HMI im Fahrzeug nicht zu unterschätzen. In autonomen Fahrzeugen sind diese als Schnittstelle zwischen Mensch und Technik unersetzbar, um die Abwesenheit von menschlichen Fahrer:innen zu kompensieren. Um Vertrauens- und Sicherheitsbedenken vor allem in kritischen Situationen zu begegnen, ist adäquates Systemfeedback erforderlich, welches über das HMI kommuniziert wird. Beispielsweise kann die sensorbasierte Wahrnehmung des Fahrzeugs in Echtzeit visualisiert werden und so Erklärungen zum Systemverhalten bereitstellen.

Ergänzend zur klassischen Literaturauswertung haben wir stets ein Auge auf den Stand der Technik und der Industrie. Wir analysieren kontinuierlich existierende und neue HMI- und Visualisierungskonzepte. Der Fokus liegt vor allem auf konzeptionellen und visuellen Aspekten der betrachteten Interfaces. Wir prüfen mitunter Konzepte führender AV- und KI-Technologieunternehmen und untersuchen etwa die Darstellung von Umgebung, Routen oder Trajektorien sowie die Nutzung verschiedener Perspektiven. Außerdem betrachten wir das Zusammenspiel von Systemfeedback mit weiteren Fahrzeug- und Routeninformationen oder zusätzlichen Hinweiselementen.

Du siehst 2 junge Frauen, die auf derselben Seite eines Tisches sitzen. Beide tragen weiße T-Shirts und lächeln sich gegenseitig an. Der Tisch ist aus Holz und auf einer Seite steht ein Laptop. Im Hintergrund des Raumes befindet sich eine Tafel mit Post-it-Zetteln.
Foto eines CoCreation Interviews

Im Sinne des mensch-zentrierten Gestaltungsprozesses sprechen wir nicht nur über die (potenziellen) Nutzenden, sondern auch mit ihnen. Im Rahmen von STADT:up kombinierten wir dafür semistrukturierte Interviews mit Co-Creation-Methoden. Mit diesen „Co-Creation Interviews“ erfassten wir Bedürfnisse und Anforderungen zukünftiger Nutzer:innen an das Interaktionskonzept. Die Ergebnisse überführen wir in Personas und User Journeys und leiten daraus gezielte Gestaltungsempfehlungen ab.

2. Fokus Szenarien

Bei der Entwicklung und Evaluation zukünftiger Konzepte fokussieren wir uns zunächst auf vier alltagsnahe innerstädtische Verkehrssituationen. Diese Szenarien wurden unter Berücksichtigung folgender Aspekte gewählt:

  • hohe Komplexität der innerstädtischen Verkehrssituation,

  • Beteiligung verletzlicher Verkehrsteilnehmer:innen (VRU),

  • Vielfalt des möglichen Situationsverhaltens,

  • Häufigkeit der Situation im innerstädtischen Verkehr.

Anhand der gewählten Szenarien lassen sich die komplexen Herausforderungen des innerstädtischen Straßenverkehrs und die daraus resultierenden Anforderungen an (interne) Informations- und Kommunikationskonzepte darstellen, analysieren und diskutieren.

2 Szenario-Workshop-Skizzen von 2 verschiedenen Verkehrssituationen.
STADT:up Szenarien Scribbles

3. Interaktionsdesign: Design Exploration und erste Konzepte

Die Ergebnisse unserer Anforderungsanalyse haben wir bereits mit den definierten Szenarien in erste Interaktionskonzepte überführt. Die erarbeiteten Konzepte erklären auf verständliche und effiziente Weise das Automationsverhalten von Fahrzeugen. In weiteren Teilprojekten von STADT:up werden Möglichkeiten untersucht, die Intentionen anderer Verkehrsteilnehmer:innen frühzeitig zu erkennen. Ihre Ergebnisse werden zukünftig in unsere Interaktionskonzepte integriert. Auf diese Weise entstehen modulare Interaktionsbausteine für die interne Kommunikation im Fahrzeug. Der modulare Aufbau ermöglicht hierbei, dass relevante Informationen in Abhängigkeit von Kontext, Nutzergruppe und aktiver Automatisierungsstufe gezielt an die Fahrzeuginsassen ausgespielt werden.

Erste Designideen liegen bereits als Mock-ups und Wireframes vor und werden in den nächsten Schritten auf Basis der Analyse-Ergebnisse iterativ fortentwickelt. Im nächsten Schritt erarbeiten wir erlebbare Prototypen, die in Simulator- und Wizard-of-Oz-Studien erkundet und evaluiert werden.

Automatisiertes Fahren: Unsere Meilensteine

Für die Erprobung und Demonstration unserer Konzepte konzentrieren wir uns insbesondere auf Interaktionen mit verletzlichen Verkehrsteilnehmer:innen. Für die effiziente Zusammenarbeit mit unseren Projektpartnern steht hier aktuell die Entwicklung eines Engineering UI im Mittelpunkt.

Das Engineering UI wird u. a. folgende Aufgaben haben:

  • Aufbereitung und Visualisierung von Sensordaten der Partnersysteme

  • Bereitstellen geeigneter Funktionen zur Daten-Aufnahme und System-Demonstration

  • Konfiguration und Demonstration von HMI-Modulen für Endnutzer:innen in den Versuchsträgern.

Zu diesen ambitionierten Zielen können wir bisher folgendes berichten:

1. Anforderungsanalyse

Im Rahmen des Projekt-Kick-Offs moderierte Ergosign eine World-Café Diskussion, die den Aufschlag für die Anforderungsspezifikation für das Engineering UI aus Sicht der Nutzer:innen bot. Aufbauend darauf wurden in diversen, gemeinsamen Workshops und Interviews dazu detaillierte Rahmenbedingungen und Anforderungen erfasst. Die Ergebnisse bündeln wir in Personas, Journey Maps und Problem Statement Maps. Diese Artefakte legen einen wesentlichen Grundstein für eine erfolgreiche Konzeption, Entwicklung und Integration der (Engineering) UIs.
Als Teil der Anforderungsanalyse führten wir eine umfassende Technologie- und Marktanalyse zu verfügbaren Frameworks durch. Als spannend kristallisierten sich insbesondere das Robot Operating System (ROS) und das Debugging- und Visualisierungsframework Foxglove sowie die Recherche und Konfiguration benötigter Hardware-Komponenten heraus. Wir stimmen uns hierbei eng mit den Kooperationspartnern wie beispielsweise dem Intelligent Vehicles Lab der Hochschule München (HM) ab, die im Rahmen von STADT:up Versuchsträger aufbauen, in denen wir unsere HMI-Komponenten integrieren werden.

2. Fokus-Szenarien

Die Szenarien von Ergosign wurden mit Fokus auf verletzliche Verkehrsteilnehmer:innen gewählt (siehe oben). Für die Entwicklung und Integration der HMI werden wir zudem insbesondere die Szenarien der Kooperationspartner berücksichtigen, in deren Versuchsträger die HMI-Konzepte integriert werden.

6 Personen, die um einen Holztisch herum sitzen, auf dem ihre Laptops stehen. Es gibt 3 junge Männer auf der linken Seite und 1 Frau mit 2 Männern auf der rechten Seite. Im Hintergrund ist ein Fernseher zu sehen, auf dem zu erkennen ist, dass es sich bei diesem Workshop um ein Hybrid-Meeting handelte, da dort eine Zoom-Meeting mit Teilnehmern geöffnet ist
Konzept-Workshop Gruppenfoto

3. Interaktionsdesign: Erste Konzepte und Test-Set-up

Auf Basis der (kontinuierlichen) Anforderungsanalyse und Abstimmung mit den Projekt-Partnern führten wir zunächst gemeinsame Ideation- und Konzept-Workshops durch. Die dabei entstandenen Ideen und Konzepte visualisierten wir in Scribbles und Wireframes, welche zur initialen Abstimmung mit den Entwickler:innen und den Projekt-Partnern dienten. Aktueller Schwerpunkt ist die Gestaltung und Umsetzung eines Minimum Viable Product (MVP) des Engineering UI, welches ein leichtgewichtiges und kompaktes UI für Fahrzeugingenieur:innen, Developer und Designer schaffen soll. Dazu setzte sich das Developer Team von Ergosign bereits intensiv mit den Rahmenbedingungen der Integration in die Partnerversuchsträger auseinander und realisierte ein eigenes Test-Set-up.

Wie geht es weiter?

Das Projekt STADT:up läuft noch bis Dezember 2025 — auch, wenn wir schon einige wichtige Meilensteine erreicht haben, haben wir noch einige Herausforderungen vor uns: Wir werden die Fortschritte des Projekts regelmäßig hier teilen. Stay tuned!

Lukas ist Senior UX Designer und unser Mobility Specialist. Er startete 2016 bei Ergosign und schließt derzeit seine Promotion zum Thema Interaktion mit autonomen Fahrzeugen ab. In seinen Forschungsarbeiten beschäftigt sich Lukas insbesondere mit kontextbasierten Prototpying-Methoden und der menschzentrierten, kollaborativen Entwicklung von Interaktionskonzepten für die Mobilität der Zukunft.

Lukas FlohrSpecialist Mobility

Charlotte Osthelder ist Senior UX Designer und Service Design Specialist bei Ergosign. Seit 2020 ist sie in der menschzentrierten Entwicklung von Industry, Automotive und Consumer Produkten zuhause. Ihr Hintergrund aus dem Industrial Design und der Architektur hilft ihr andere Blickwinkel einzunehmen und Produkte zukunftsorientiert und ganzheitlich weiterzudenken.

Charlotte OsthelderSpecialist Service Design

Die vorliegende Arbeit ist ein Ergebnis des Verbundforschungsprojektes STADT:up (Förderkennzeichen 19A22006K). Das Forschungsvorhaben wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

STADT:up wird gefördert von NextGenerationEU und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
STADT:up wird gefördert von NextGenerationEU und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
Die STADT:up Projektpartner: Bosch, Denso, Valeo, Aptiv, Continental, Hella, AVL, Cariad, ZF, 3D Mapping Solutions, DeepSzenario, Mercedes, Opel, Ergosign, gestigon, bast, Hochschule München, TU Darmstadt, DLR, TU München, TU Chemnitz
Die STADT:up Projektpartner

In jüngster Zeit hat künstliche Intelligenz (KI) in verschiedenen Branchen einen signifikanten Einfluss ausgeübt. Wir sind überzeugt, dass die Integration von KI in unsere eigenen Services sowie die unserer Kunden weiter voranschreiten wird. Unter Nutzung unserer umfangreichen Erfahrung und unseres vielfältigen UX-Portfolios freuen wir uns darauf, die Zukunft gemeinsam mit diesen technologischen Fortschritten zu gestalten.