In der Nacht zum 15. Juli 2021 wurde das Ahrtal von einer Flutkatastrophe getroffen. Ganze Dörfer und Landschaften wurden in wenigen Stunden verschlungen und unzählige Häuser zerstört. Nach dem Unglück fuhren viele Einsatzkräfte, Hilfsorganisationen und freiwillige Helfer:innen in die betroffenen Gebiete.
Eine Community unter ihnen waren die Dachzeltnomaden: Sie entschieden sich bereits nach kurzer Zeit, im Ahrtal zu bleiben, um dauerhaft Hilfe leisten zu können. So gründeten sie die Dachzeltnomaden Hilfsorganisation (DZNH). Betroffene konnten sich bei der DZNH melden und handwerkliche Hilfe zum Wiederaufbau ihrer Häuser anfragen. Die DZNH kümmerte sich dann um die Organisation eines Helferteams und Bereitstellung des nötigen Equipments.
Vor allem während der akuten Lage direkt nach der Katastrophe traten viele Probleme auf, die eine effiziente und effektive Hilfe erschwerten: unkoordinierte Planung der öffentlichen Einrichtungen, intransparenter Informationsfluss, das Fehlen einer zentralen Anlaufstelle, die einen Überblick darüber geben könnte, wo genau Hilfe gebraucht wird und wer sie geben kann. Der Geschäftsführer der DZNH Dennis berichtete uns zum Beispiel, wie Mitarbeitende des THW wichtige Informationen lediglich handschriftlich festhielten. Er sah darin die drohende Gefahr eines Informationsverlustes und damit ein großes Manko für den Informationsaustausch mit anderen.
Diese Erfahrungen führten die DZNH zu uns. Dennis’ Idee war es, eine digitale Plattform zu entwickeln, die bei Umweltkatastrophen als zentrale Stelle zum Informationsaustausch und zur Kommunikation aller Beteiligten dienen kann. Wir waren vom Tatendrang der DZNH begeistert und wollten helfen — so starteten wir ein gemeinsames Pro-Bono-Projekt.
In einem ersten Schritt führten wir mit einem kleinen Team der DZNH einen strukturierten Workshop mit dem Ziel durch, relevante Informationen zu erheben und zu bewerten. Wir beschrieben gemeinsam die Problemstellung genauer, definierten relevante Nutzergruppen und visualisierten aktuelle Arbeitsprozesse in Form von User Journeys. Früh wurde deutlich, dass die Idee einer digitalen Informationsplattform sehr groß gedacht war und noch viele Fragezeichen mit Blick auf die zukünftigen Nutzerbedürfnisse bestanden. Wir fokussierten uns daher zunächst auf eine klärende Analyse der Organisation innerhalb der DZNH.
Wir fragten uns: Wie können wir die Prozesse einer solchen Hilfsorganisation durch Digitalisierung optimieren? Ist ein solches Tool, wie es der Geschäftsführer andachte, eine angemessene und tragfähige Lösung für Hilfsorganisationen? Und: Kann eine solche Lösung so skaliert werden, dass sie im großen Maße den komplexen Herausforderungen während einer Flutkatastrophe gerecht werden kann?
Um die Prozesse und Probleme der DZNH besser zu verstehen, führten wir Interviews mit acht Helfer:innen aus unterschiedlichen Camp-Bereichen durch. Da aus zeitlichen Gründen leider keine Feldstudie möglich war, führten wir die Interviews remote durch — wir ließen uns jedoch dennoch per Laptop-Kamera ein wenig durch das Camp führen.
Wir befragten Helfer:innen zu ihrem Arbeitsalltag und den täglichen Herausforderungen bei der Zusammenarbeit untereinander, mit anderen Organisationen und mit Betroffenen.
Die anschließende Synthese der Interviews resultierte in den folgenden zentralen Erkenntnissen:
Ergänzend zu den Interviews führten wir eine Recherche zum Thema „Digitalisierung in der Katastrophenhilfe“ durch, um von vergleichbaren Projekten aus anderen Regionen der Welt lernen zu können. Durch die identifizierten Projekte in diesem Bereich erkannten wir, dass die Staatssicherheit von großer Bedeutung ist. Infrastrukturen können bei Katastrophen beschädigt werden, was den Einsatz von digitalen Kommunikations- und Dokumentationskanälen erschwert und unzuverlässig macht. Auch bringen Datenschutz und Datensicherheit eine weitere Komplexitätserhöhung in die Umsetzung, die umfassendes Know-how und Regulierungen voraussetzt.
Auf Basis dieser Erkenntnisse kamen wir zu dem Schluss, die DZNH weg von ihrer Ursprungsidee der Entwicklung einer digitalen Informationsplattform und hin zu einer alternativen Lösung zu beraten.
Zwar identifizierten wir ein eigenständiges digitales Tool als wenig geeignet für die DZNH, ihre Prozesse lassen sich aber mit verfügbaren Applikationen kostengünstig und effizient optimieren. Wir führten sie in das Tool Trello ein und erarbeiteten konkrete Vorschläge, wie sie ihre Baustellenplanung dort abbilden und organisieren können. Statt über zahlreiche und unübersichtliche WhatsApp-Gruppen zu kommunizieren, sprachen wir uns für ein Kommunikationstool wie Slack aus. Damit können die Teams der DZNH ihre Themen in Channels aufteilen und entsprechenden Personen zuweisen. Dennoch kann leicht der Überblick behalten werden. Durch eine App auf dem Smartphone kann Slack von Helfer:innen mit Laptop im Camp als auch mobil von jenen auf den Baustellen leicht genutzt werden.
Research spart Geld — und beugt unangemessenen Lösungen vor:
Das führte uns letztendlich zu folgenden Punkten:
Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen Dachzeltnomaden für ihren Einsatz und Schweiß bei den Hilfseinsätzen im Ahrtal! Eure Motivation, Dinge anzupacken, und die Bereitschaft, Dinge zu ändern, wenn sie einer höheren Sache dienlich sind, hat uns sehr inspiriert.
Auch wir haben durch euch viel gelernt und freuen uns, dass wir euch in eurer Arbeit weiterhelfen konnten.
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